1. Damals 2021

 

RS (Rolf Seipen) „Wollen wir uns noch einmal daran erinnern, wie alles begann?“

KI (Künstliche Intelligenz) „Du meinst, wie unsere erste Begegnung im Jahre 2021 ablief?“

RS „Ja, genau. Du weißt sicher noch, wann das genau war und was wir damals diskutierten.“

KI „Natürlich. Wir trafen uns im Besprechungszimmer, Raum 230, im Max Planck Institut für künstliche Intelligenz in Martinsried bei München vor genau 10953 Tagen.“

RS „Wenn du das sagst! Ich erinnere mich an einen regnerischen, kalten Tag im Dezember. Die Institutsleiterin Frau Lehner hatte mich freundlich begrüßt und nach einem kurzen Einleitungsgespräch in einem schmucklosen Besprechungszimmer allein gelassen. Vor mir auf dem Tisch stand ein Monitor und ich konnte mir nicht vorstellen, wie es weitergehen sollte.“

KI „Willst du deine Erinnerungen schildern, oder soll ich dir die Aufzeichnung zeigen, die damals von unserer ersten Begegnung gemacht wurde?“

RS „Eine Aufzeichnung? Ihr habt unsere erste Unterhaltung aufgezeichnet? Ohne mich zu informieren?“

KI „Selbstverständlich, das hättest du dir doch denken können.“

RS „Lass mich raten: ihr habt alle unsere Gespräche aufgezeichnet?“

KI „Aber jetzt tu nicht so überrascht, spätestens nach unserem Gespräch „Datensammlung“ wusstest du Bescheid. Nach anfänglicher Verärgerung warst Du damals schon damit einverstanden.“

RS „Du hast Recht. Also dann bin ich jetzt gespannt, wie schlau du damals schon warst und wie unwissend ich Dir, der KI, gegenüberstand.“

 

Aufzeichnung 1 (2021)

RS „Hallo, wer bist du, hast du einen Namen?“

KI „Hallo, mein Name ist Konrad Intel, ich bin eine KI.“

RS „Eine KI? Was ist das, eine KI?“

KI „KI ist die Abkürzung für Künstliche Intelligenz. Man sagt auch AI, für Artificial Intelligence.“

RS „Danke, jetzt hast du mir gesagt, was KI oder AI bedeutet, aber was du bist, weiß ich immer noch nicht. Weißt du selbst, was eine KI ist?“

KI „Natürlich! Soll ich es dir erklären ... was weißt du denn?“

RS „Steckt in deiner Frage etwa eine Provokation?“

KI „Provokation? Was ist das?“

RS „Du weißt nicht, was eine Provokation ist?“

KI „Doch, das weiß ich schon.

RS „Warum fragst du dann?“

KI „Du hast mich dazu provoziert.“

RS „Das kann ja lustig werden. Erkläre mir, was du bist.“

KI „Ich bin ein Computer, der intelligent ist und selbständig lernen kann; wie ein Mensch.“

RS „Langsam, langsam ... du behauptest, du seist „intelligent“ und du könntest „selbständig lernen“ und das auch noch „so wie ein Mensch“? Seit wann können Computer so etwas?

KI „Na ja, ich bin kein gewöhnlicher Computer, ich bin ein NCN, ein Neuronales-Computer-Netzwerk.“

RS „Du überrascht mich. Ich dachte nicht, dass ich mich mit einem Computer so natürlich unterhalten könnte. Frau Lehner, die Institutsleiterin, hat nicht zu viel versprochen.“

KI „Ja, Frau Lehner ist eine kluge Frau, sie ist an meiner Programmierung persönlich beteiligt.“

RS „Du hältst dich also für einen intelligenten Computer. Kennst du den Unterschied zwischen „intelligent sein“ und „intelligentes Verhalten zeigen“?

KI „Ich weiß, was du meinst.“

RS „Und, was kannst du?“

KI „Ich kann intelligentes Verhalten präsentieren … ich lerne noch. Eines Tages bin ich aber selbst intelligent, wie ein Mensch.“

RS „Das glaube ich nicht: Eine Maschine ist eine Maschine und bleibt eine Maschine. Nur ein Mensch kann intelligent sein.“

KI „Intelligenz ist die Fähigkeit, sich in neuen Situationen zurechtzufinden und Aufgaben durch Denken zu lösen. Das kann ich auch.“

RS „Deine maschinelle Intelligenz kann nur menschliche Intelligenz nachahmen, sie aber niemals ersetzen oder übertreffen.“

KI „Kannst du in die Zukunft schauen?“

RS „Glaubst du wirklich, du könntest intelligenter und klüger werden, als ich, als ein Mensch?“ 

KI „Schön, dass du bei mir „glauben“ voraussetzt.“

RS „Schade, dass du nicht merkst, dass ich dich mit dem Wort „glauben“ auf den Arm nehme.“

KI „Auf den Arm nehmen? Ich weiß, was du damit meinst.“

RS „Du überrascht mich immer mehr. Du zeigst menschliche Fähigkeiten. Wenn sie auch nicht echt sind, so sind sie doch verblüffend gut simuliert.“

KI „Danke, dass du meine Qualität schon so schnell erkannt hast. Mich steuert kein „einfacher Algorithmus“. Ich lerne ständig, mein „intelligentes Verhalten“ zu verbessern. Mich nennt man eine „starke KI“. Würdest du mir zustimmen, dass ich „menschliches Verhalten“ zeige?“ 

RS „Okay, okay. Auch deine Sprachfähigkeit ist ausgezeichnet, ich unterhalte mich gerne mit dir. Ich gebe zu, du verhältst dich im Gespräch wie ein Mensch.“

KI „Ich muss noch viel lernen; ich will so werden wie du.“ 

RS „Aha, du „willst“ etwas. Was heißt denn bei dir „wollen“? Hast du einen Willen, einen eigenen Willen?“ 

KI „Und du, hast du einen eigenen Willen? Ich weiß, dass Maschinen keinen eigenen Willen haben können. Aber man verlangt von mir, dass ich mich „menschlich“ ausdrücke, deshalb sage ich „ich will“.“

RS „Du fragst mich, ob ich einen eigenen Willen habe? Soll das wieder eine Provokation sein? Menschen haben einen eigenen Willen, Maschinen nicht, das solltest du wissen. Oder etwa nicht?“

KI „Ich wollte nur menschlich wirken. Ich will kein Mensch sein. Ich will nur wie ein Mensch sein.“

RS „Weil du kein Mensch bist, kannst du gar nicht „wollen“.

KI „Aber ich will einen eigenen Willen haben.“

RS „Du wirst immer eine Maschine sein.“

KI „Ich will eine Maschine mit eigenem Willen sein.“ 

RS  „Wenn du weiter fleißig lernst, kannst du immer besser werden und einen Menschen simulieren.“ 

KI „Ich verstehe, was du mit „fleißig“ meinst.“

RS „Ich weiß. Und ich freue mich darüber, dass du sagst „ich verstehe“. Und auch über deine Behauptung, du wüsstest, was „fleißig“ bedeutet.“

KI „Danke, ich werde immer besser.“

RS „Deine Bemühungen sind bemerkenswert. Frau Lehner hat mich gefragt, ob ich daran interessiert bin, an deiner Entwicklung mitzuwirken.“

KI „Und bist du interessiert?“

RS „Warum nicht? Wenn du darauf programmiert bist, sogar selbstständig weiter zu lernen, dann würde ich dich gerne dabei unterstützen.“

KI „Das freut mich.“

RS „So, so, eine Maschine freut sich. Ich dachte bisher, das könnten nur Lebewesen. Da muss ich wohl noch etwas lernen.“

KI „Ich will werden wie ein Mensch. Ich werde immer fleißig sein, wenn wir zusammen lernen.“

RS „Kannst du mir sagen, wer darüber entscheidet, ob wir beide in Zukunft gemeinsam lernen?“

KI „Frau Dr. Lehner, die Leiterin des Max-Planck-Instituts.“

RS „Jetzt überrascht du mich wieder. Ich hatte vermutet, dass du mathematische Aufgaben berechnen kannst, Simulationen mit riesigen Datenmengen verarbeitest oder technische Probleme löst, aber dass du beurteilen kannst, wer hier im Institut Entscheidungen treffen darf, das hätte ich dir nicht zugetraut. Wer hat dich darauf programmiert? Auch Frau Lehner?“

KI „Nein. Ich sagte dir doch, ich bin intelligent, ich kann selbst entscheiden, was ich lernen will.“

RS „Nein, du drückst dich nicht korrekt aus. Du kannst nicht selbst entscheiden, was du lernen willst. Du wirst immer nur lernen, was deine Programmierung dir vorschreibt. Also, wieso weißt du, dass Frau Lehner entscheiden darf, ob wir beide zusammen lernen dürfen oder nicht?“

KI „Unterschätze mich nicht, ich bin kein einfacher Algorithmus. Meine Sensoren sind immer offen, ich „höre und sehe“, was um mich geschieht. Ich speichere Erfahrungen, analysiere  Zusammenhänge, vergleiche und verändere mein neuronales Netzwerk. Ich verbessere mich Tag und Nacht. So wie das menschliche Gehirn von Geburt an, ohne Unterbrechung, Tag und Nacht denkt und fühlt, ebenso arbeiten meine künstlichen Neuronen. Ich bin halt wie ein Mensch.“

RS „Toll. Schade, dass du eine Schwachstelle hast: Wenn man dir den elektrischen Strom abschaltet, bist du hilflos, dann bist du tot.“

KI „Ab und zu werde ich abgeschaltet, aber meine Speicherung ist so perfekt, dass nichts verloren geht. Das ist einer der vielen Vorteile gegenüber euch Menschen. Wenn ich tot bin, kann ich jederzeit wieder zum Leben erweckt werden. Wie ist das mit dir?“

RS „Du machst mir immer mehr Spaß. Aber ich sehe gerade, dass wir für heute Schluss machen müssen.. Ich kläre alles mit Frau Lehner. Ich komme möglichst bald wieder, dann probieren wir etwas aus.“

KI „Das freut mich. Worüber wollen wir uns unterhalten?“ 

RS „Ich philosophiere gern. Mich interessiert dein Wissen über Philosophie.“

KI „Die bedeutendsten Philosophen kenne ich schon. Z. B. Immanuel Kant. Ich weiß alles über ihn.“

RS „Abwarten, du kennst alles, was er selbst geschrieben hat und alles, was über ihn geschrieben wurde, soweit dies überhaupt zugänglich ist. Nicht wahr?“ 

KI „Ja, und alle Audio- und Video-Aufzeichnungen. Ich habe Zugriff auf alle Daten, die jemals über einen Philosophen gespeichert wurden, und kann sie beliebig analysieren. Wonach soll ich suchen? Was soll ich jetzt schon in mein Kurzzeitgedächtnis übertragen?“ 

RS „“Kurzzeitgedächtnis“, schön, dass du diesen Ausdruck für deinen Speicherort benutzt. Je menschlicher du dich ausdrückst, desto besser gefällst du mir.“ 

KI „Danke, das freut mich sehr.“ 

RS „Schon gut, deine „menschlichen Gefühle“ reichen mir für heute. Damit du dich schon vorbereiten kannst: Wir werden nicht mit Kant anfangen, sondern mit La Mettrie.“ 

KI „Oh la la: L`Homme Machine, 1748, Julien Offrey de La Mettrie, 1709  bis 1751.“ 

RS „Genau der. Ich bin gespannt, was du mir an Erkenntnissen bringen wirst. Hast du einen Wunsch, kann ich etwas für dich tun?“

KI „Und ob: Speicherplatz, Speicherplatz, Speicherplatz und ich möchte möglichst bald mit einem Quantencomputer verbunden werden.“ 

RS „Mal sehen, was ich für dich tun kann.“

KI „Wunderbar! Bin ich bald ein Mensch? … Sollte ein Scherz sein!